Auswirkungen von Russlands Krieg gegen die Ukraine auf die Rechnungslegung, Unternehmensbewertungen und Steuern

Der Beginn kriegerischer Handlungen durch die russischen Streitkräfte in der Ukraine am 24.02.2022 stellt ein einschneidendes Ereignis dar, das auch in der globalen Wirtschaft deutliche Spuren hinterlassen und damit Konsequenzen für die Bewertung von Unternehmen und Unternehmensanteilen haben wird. An den Güter- und Finanzmärkten waren die Reaktionen sofort spürbar. Die Konsequenzen insb. aus den verhängten Sanktionen zeigen sich bereits unmittelbar, werden aber auch langfristig erhebliche Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben. Aussagen zur zeitlichen Erstreckung dieser Krise, die sich durch weitere Eskalationen weiter verschärfen kann, den daraus resultierenden Effekten auf die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die Geschäftsaussichten von Unternehmen sind gegenwärtig kaum verlässlich möglich.

Wesentliche Auswirkungen und Risiken treffen die Realwirtschaft, z.B. die Lieferketten (insb. hinsichtlich des Energiebedarfs), die Leistungserstellung, die Absatzmärkte, die Kreditversorgung durch Banken oder die Infrastruktur (durch Cyberangriffe). Dies strahlt mittelbar auch auf den gesamten Finanzsektor aus (Werthaltigkeit von Investitionen in die Realwirtschaft, Inflation etc.).

Das Institut für Wirtschaftsprüfer hat in Bezug auf den Umgang mit den beschriebenen Auswirkungen auf Rechnungslegung und Unternehmensbewertung fachliche Stellungnahmen veröffentlicht (https://www.idw.de/idw/themen-und-branchen/russland-ukraine-krieg ). Deren Eckpunkte lauten wie folgt:

  • Rechnungslegung: Die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen des Krieges sind für Abschlüsse auf Stichtage vor dem 24.02.2022 als wertbegründend einzustufen. Als maßgebliches Ereignis ist der widerrechtliche Übertritt der Grenzen des ukrainischen Staatsgebiets (bzw. der Eintritt in den ukrainischen Luftraum) durch das russische Militär an eben jenem Tag anzusehen. Dementsprechend sind die bilanziellen Konsequenzen (Bewertung und Ansatz) aufgrund des Stichtagsprinzips (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 (ggf. i.V.m. § 298 Abs. 1) HGB) grundsätzlich erst in der (Konzern-)Bilanz und (Konzern-)Gewinn- und Verlustrechnung von Konzern-/Jahresabschlüssen mit Stichtag nach dem 23.02.2022 zu berücksichtigen. Etwas anderes gilt allein in den Fällen, in denen aufgrund der Auswirkungen des Krieges die Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit nicht mehr aufrechterhalten werden kann.

 

  • In Bezug auf Unternehmensbewertungen sind die Konsequenzen aufgrund des Stichtagsprinzips erst bei der Bewertung von Unternehmen oder Unternehmensanteilen mit Stichtag nach dem 23.02.2022 zu berücksichtigen. Eine Berücksichtigung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen des Ukraine-Krieges bei Bewertungen mit Stichtagen bis zum 23.02.2022 scheidet aufgrund des Stichtagsprinzips aus. Für Bewertungsstichtage nach dem 23.02.2022 gilt, dass die Erkennbarkeit der Auswirkungen des Ukraine-Krieges zum jeweiligen Stichtag einzelfallspezifisch zu beurteilen ist.

 

Daneben hat die Finanzverwaltung zur Förderung und Anerkennung des gesamtgesellschaftlichen Engagements der Bürgerinnen und Bürger und auch von Unternehmen mit Datum vom 17.03.2022 eine Verwaltungsanweisung erlassen (Steuerliche Maßnahmen zur Unterstützung der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten – IV C 4 – S 2223/19/10003 :013), die zahlreiche Billigkeitsregelungen für Maßnahmen vom 24.02.2022 bis zum 31.12.2022 vorsieht.

Die Maßnahmen sind vielfältig und betreffen die Bereiche der Ertrags-, der Verkehrs- und der Substanzsteuern. Exemplarisch seien an dieser Stelle angeführt:

  • Vereinfachter Nachweis steuerbegünstigter Zuwendungen
    Statt einer Zuwendungsbestätigung genügt bei Spenden für die Unterstützung der vom Krieg Geschädigten die Einzahlung auf einem eingerichteten Sonderkonto als entsprechender Nachweis. Diese Sonderkonten können von einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts, einer inländischen öffentlichen Dienststelle oder einem inländischen, amtlich anerkannten Verband der freien Wohlfahrtspflege einschließlich seiner Mitgliedsorganisationen eingerichtet werden.
  • Umsatzsteuerliche Konsequenzen aus der unentgeltlichen Überlassung von Wohnraum – auch bei Unternehmen der öffentlichen Hand
    Werden Räumlichkeiten unentgeltlich an Ukraine-Flüchtlinge zur Verfügung gestellt, die sonst für umsatzsteuerpflichtige Zwecke verwendet werden, wird sowohl von einer Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a UStG als auch von einer Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG abgesehen.

Sollten Sie Fragen haben, melden Sie sich bitte bei Ihren HPW-Ansprechpartnern.

 

Autor: Dr. Boris Heller