Chaos durch Nachlassgericht: OLG Celle rügt grobe Unrichtigkeit richterlicher Erbscheine

Auch Gerichte machen Fehler. Und nach Ansicht des Oberlandesgerichts Celle (OLG) nehmen diese Fehler im Bereich des Erbrechts im Land Niedersachsen derart zu, dass das Ansehen der Justiz in Gefahr scheint. Was war passiert? So einiges, wie Sie hier lesen können.

Die Eheleute hatten im Jahr 2019 ein gemeinschaftliches Testament mit folgendem Wortlaut aufgesetzt: „Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen Erben ein. Der Erstversterbende vermacht dem überlebenden Ehegatten an seinem gesamten Nachlass den Nießbrauch auf Lebenszeit. Der einzige Erbe nach dem Längstlebenden von uns ist unser Sohn, der das Haus und Guthabenbeträge auf der Bank und Sparkonten vorweg erhalten soll.“

Nach dem Tod des Ehemanns im Jahr 2022 beantragte die überlebende Ehefrau einen Alleinerbschein. Gleichzeitig beantragte der Sohn ebenfalls einen Erbschein „bezüglich des Hauses und der Guthaben bei den Banken“. Mit Datum vom 16.02.2023 wurde ein „gemeinschaftlicher Erbschein“ ausgestellt: Der Erblasser sei von der Ehefrau und dem Sohn beerbt worden. Die Ehefrau „hat den gesamten Nachlass des Erblassers beerbt, mit Ausnahme des Anteils des Erblassers des  Grundbesitzes sowie der Guthabenbeträge auf der Bank“. Der Sohn „beerbt den Erblasser bezüglich dessen Guthabenbeträgen auf der Bank sowie seines Anteils an dem Grundbesitz“.

Auf Veranlassung durch das Grundbuchamt hat das Nachlassgericht – zwischenzeitlich war ein Richterwechsel erfolgt – den Erbschein wegen offensichtlicher Unrichtigkeit eingezogen. In der Folge erließ das Nachlassgericht einen weiteren Erbschein, wonach der Erblasser von der Ehefrau und dem Sohn je zu 1/2 Anteil beerbt worden sei.

Auf die Beschwerde des Sohns hin wurde auch dieser Erbschein durch das Nachlassgericht nach einem weiteren Richterwechsel eingezogen, weil er aufgrund gesetzlicher Erbfolge erteilt worden sei. Nunmehr kam das Nachlassgericht zu der Erkenntnis, dass der Erblasser allein durch seine Ehefrau aufgrund des Testaments beerbt worden sei.

Das OLG hatte in dem Fall einiges zu kritisieren. Der erste Erbschein verkenne die Grundlagen des Erbrechts. Das Vermögen des Erblassers geht insgesamt und ungeteilt auf den oder die Erben über. Eine Erbeinsetzung auf bestimmte Gegenstände gibt es – anders als der Erbschein unterstellt – nicht. Geht das Vermögen des Erblassers nicht auf einen Alleinerben über, sondern auf mehrere Erben, erben diese weder einzelne Gegenstände noch Miteigentumsanteile an den Erbschaftsgegenständen, sondern quotenmäßig bestimmte Anteile am gesamten Nachlass. Auch der zweite Erbschein war grob fehlerhaft, da er ohne ersichtlichen Grund von einer gesetzlichen Erbfolge ausgegangen sei. Das gemeinschaftliche Testament der Eheleute wurde vollständig ignoriert. Darüber hinaus war ein solcher gemeinschaftlicher Erbschein zu keinem Zeitpunkt beantragt worden. Das OLG hat das Verfahren an das Nachlassgericht zurückverwiesen.

Hinweis: Stellt sich ein erteilter Erbschein im Nachhinein als unrichtig heraus, ist er von Amts wegen einzuziehen.