Wenn Sie selbständig oder gewerblich tätig sind, müssen Sie Ihren Gewinn ermitteln. Grundsätzlich gibt es zwei Gewinnermittlungsarten: die Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) und den Betriebsvermögensvergleich. Wer nicht gesetzlich dazu verpflichtet ist, seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln, kann zwischen beiden Arten wählen. Dieses Wahlrecht kann immer wieder ausgeübt werden. Allerdings ist der Übergang von der einen zur anderen Art mit einer Überleitungsrechnung verbunden. Im Streitfall musste das Finanzgericht Thüringen (FG) darüber entscheiden, ob man auch Jahre später anlässlich einer Betriebsprüfung das Wahlrecht neu ausüben kann.
Der Kläger erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er ist gesetzlich nicht buchführungspflichtig. Bis 2011 ermittelte er seinen Gewinn durch EÜR, ab 2012 durch Betriebsvermögensvergleich. Die Veranlagung für 2016 erfolgte antragsgemäß. Anfang 2019 fand bei ihm eine Außenprüfung für die Jahre 2014 bis 2016 statt, aufgrund derer sich für 2016 eine Gewinnerhöhung ergab. Der Kläger legte Einspruch gegen die geänderten Bescheide ein und beantragte einen Wechsel der Gewinnermittlungsart zur EÜR. Sodann legte er eine Übergangsgewinnermittlung zum 01.01.2016 und eine EÜR für 2016 vor.
Die Klage vor dem FG war erfolgreich. Steuerpflichtige, die nicht buchführungs- und bilanzierungspflichtig sind, haben ein Wahlrecht, wie sie ihren Gewinn ermitteln. Das Wahlrecht ist formal allein durch die Bestandskraft der Steuerfestsetzung bzw. Feststellung begrenzt. Während einer Veranlagung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung kann ein Steuerpflichtiger Wahlrechte, die an keine Frist gebunden sind, noch ausüben und auch eine bereits ausgeübte Wahl noch ändern. Im Streitfall war trotz formeller Bestandskraft der Bescheide ausnahmsweise ein Wechsel der Gewinnermittlungsart im Rahmen des Einspruchs gegen die Änderungsbescheide aufgrund der Außenprüfung möglich.
Wenn das Finanzamt einen Bescheid trotz Bestandskraft ändern kann, muss es nach Auffassung des FG dem Steuerpflichtigen auch möglich sein, im Rahmen seines Einspruchs gegen die aufgrund der Außenprüfung geänderten Bescheide sein Wahlrecht hinsichtlich der Gewinnermittlungsart neu auszuüben.